Dublin-Verfahren
Welcher Staat ist für mich zuständig?
Die Dublin-III-Verordnung regelt, in welchem Land Ihr Asylverfahren durchgeführt wird. Bevor das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Sie zur Anhörung einlädt und Sie nach ihrer Geschichte und Ihren Fluchtgründen fragt, prüft es zunächst, ob Ihr Asylverfahren in Deutschland stattfinden kann. Falls Sie z.B. Fingerabdrücke in einem anderen europäischen Land abgegeben haben oder dort einen Asylantrag gestellt haben, ist dieses Land für Ihr Asylverfahren zuständig und Deutschland kann Sie in dieses andere Land zurückschicken.
Die Dublin-III-Verordnung gilt in allen EU-Ländern und in Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz. In der Regel ist der Staat für Ihr Asylverfahren zuständig, den Sie bei Ihrer Einreise in die EU als Erstes betreten haben oder der Ihnen ein Visum für die Einreise erteilt hat.
Achtung: Seit dem 01.01.2021 ist Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU. Die Dublin-III-Verordnung gilt also nicht mehr für Großbritannien. Vermutlich wird es eigene Abkommen zwischen Großbritannien und den einzelnen EU-Ländern geben. Aktuell gibt es keine Regelung.
Was muss ich wissen?
Die Dublin-Verordnung kann auf Sie angewendet werden, wenn
- Sie Fingerabdrücke in einem anderen Dublin-Staat abgegeben haben.
- Sie einen Asylantrag in einem anderen Dublin-Staat gestellt haben und Ihr Asylverfahren noch läuft.
- Sie einen Asylantrag in einem anderen Dublin-Staat gestellt haben und Sie den Antrag später wieder zurückgezogen haben.
- Sie einen Asylantrag in einem anderen Dublin-Staat gestellt haben und dieser abgelehnt wurde.
- Sie ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis (z.B. aufgrund eines nationalen Abschiebungsverbots) von einem anderen Dublin-Staat erhalten haben.
In all diesen Fällen wird Ihr Asylantrag als „unzulässig“ abgelehnt. Sie werden nicht zu Ihren Fluchtgründen befragt. Das BAMF fordert Sie stattdessen zur Rückkehr in das andere Land auf und ordnet Ihre Abschiebung („Überstellung“) in dieses andere Land an.
Sobald Sie Ihren Asylantrag gestellt haben, prüft das BAMF, ob Deutschland für Ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Prüfung wird mit Hilfe der Eurodac-Datenbank gemacht. In dieser europaweiten Datenbank werden die Fingerabdrücke von Asylbewerber*innen und anderen Ausländer*innen gespeichert. Das BAMF darf Sie auch nach Ihren Fahrkarten oder Tickets fragen und diese zur Prüfung heranziehen. Wenn die Dublin-Verordnung auf Sie anwendbar ist, lehnt das BAMF Ihren Asylantrag als „unzulässig“ ab. Dann werden Sie aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Sie können auch in den anderen Dublin-Staat abgeschoben werden. Das nennt man im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nicht „Abschiebung“, sondern „Überstellung“. Hier muss das BAMF aber einige Regeln beachten.
1) Deutschland muss ein sogenanntes Übernahmeersuchen an den anderen europäischen Staat stellen. Das muss schnell passieren. Dafür gelten zwei Zeitpunkte, entweder spätestens zwei Monate nach dem Ihre Fingerabdrücke in der Eurodac-Datei von den deutschen Behörden gefunden worden sind oder spätestens drei Monate nach Eingang Ihres Asylantrags beim BAMF. Wenn Deutschland dieses Übernahmeersuchen nicht rechtzeitig stellt, wird Deutschland für Ihr Asylverfahren zuständig.
2) Der andere Dublin-Staat kann dieses Übernahmeersuchen ablehnen, wenn er nicht zur Aufnahme bereit ist.
- Wenn Sie noch keinen Asylantrag in dem anderen europäischen Land gestellt haben, hat das andere Land in der Regel zwei Monate Zeit, um auf das Übernahmeersuchen des BAMF zu reagieren. Wenn es nicht innerhalb von zwei Monaten antwortet, wird dies als Zustimmung gewertet und Deutschland kann Sie in das andere Land abschieben.
- Wenn Sie in dem anderen Land bereits einen Asylantrag gestellt haben, hat das andere Land zwei Wochen bis einen Monat Zeit, um zu reagieren. Wenn es nicht innerhalb dieser Fristen antwortet, wird dies als Zustimmung gewertet und Deutschland kann Sie in das andere Land abschieben.
3) Nach Ablauf der Antwortfristen ohne Reaktion aus dem anderen Land bzw. nach dessen Zustimmung hat Deutschland sechs Monate Zeit Sie in das andere Land zurückzubringen. Wenn Sie nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschoben werden, wird Deutschland für Ihr Asylverfahren zuständig. Achtung: Wenn Sie in einem Gefängnis inhaftiert sind, verlängert sich die Frist auf 12 Monate. Und weenn Sie z.B. durch Untertauchen die Abschiebung in das andere Land verhindern, verlängert sich die Frist auf 18 Monate. Untertauchen kann Ihnen auch unterstellt werden, wenn Sie z.B. über eine Woche nicht in Ihrer Unterkunft waren und das BAMF dies erfährt.
Bitte beachten Sie: Wenn Deutschland Ihren Asylantrag als „unzulässig“ ablehnt, bedeutet das nicht, dass auch Ihr Asylantrag in dem anderen Dublin-Staat abgelehnt wird. Es bedeutet nur, dass Ihr Asylverfahren nicht in Deutschland, sondern in dem anderen Land stattfinden muss. Ihr Asylantrag wird also dort geprüft.
Sie dürfen nicht in einen anderen Dublin-Staat überstellt werden, wenn:
- Ihr*e Ehepartner*in oder Ihre minderjährigen Kinder in Deutschland als Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sind.
- Ihr*e Ehepartner*in oder Ihre minderjährigen Kinder in Deutschland Asyl beantragt haben und Deutschland für ihr Asylverfahren zuständig ist.
- Sie minderjährig und ohne Eltern geflüchtet sind und ein Familiennachzug zu ihren Eltern, Geschwistern oder anderen Verwandten in einem anderen Dublin-Staat nicht in Ihrem Interesse ist oder Sie keine Familie in Europa haben.
- Wenn Sie schwer krank sind und sich Ihre Erkrankung durch die Abschiebung massiv verschlechtern würde. Hierzu benötigen Sie viele Atteste von Ärzten.
- Wenn Deutschland von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht hat. Durch das Selbsteintrittsrecht erklärt sich Deutschland freiwillig für Ihr Asylverfahren zuständig. Das passiert allerdings sehr selten und nur in besonderen Härtefällen, also z.B. bei kranken oder traumatisierten Personen, etc.
Sie haben das Recht, dass das BAMF Sie persönlich zu Ihrem Reiseweg, Ihrem Gesundheitszustand und zum Aufenthaltsort Ihrer Familienangehörigen befragt. In diesem Gespräch sollten Sie erklären, warum Sie nicht in den anderen Dublin-Staat zurückkehren können. Mögliche Gründe sind: Obdachlosigkeit, kein Zugang zu medizinischer Versorgung, Misshandlungen, Inhaftierungen, der Aufenthalt Ihrer Familie in Deutschland, etc.
Das BAMF ist rechtlich verpflichtet, Sie in Ihrer Sprache über das Dublin-Verfahren und den aktuellen Stand des Übernahmeersuchens an den anderen Dublin-Staat zu informieren. Sie haben das Recht, regelmäßig nach dem aktuellen Stand zu fragen und Einsicht in Ihre Akte zu bekommen. Sie können sich regelmäßig – mindestens alle vier Wochen – bei Ihren Sachbearbeiter*innen nach neuen Entwicklungen erkundigen.
Wenn Sie freiwillig in den anderen Dublin-Staat zurückkehren möchten, statt abgeschoben zu werden, muss Ihnen dies ermöglicht werden.
Sie sind rechtlich verpflichtet, dem BAMF Ihre aktuelle Adresse mitzuteilen, wenn Sie innerhalb Deutschlands umziehen. Wenn Sie dies nicht tun, schickt das BAMF Ihre Post an Ihre alte Adresse und Sie versäumen möglicherweise wichtige Fristen und Termine. Außerdem kann das BAMF Ihnen Untertauchen unterstellen. Untertauchen erhöht Ihre Überstellungfrist von sechs auf 18 Monate.
Bitte beachten Sie: Geflüchtete, die von einem anderen Dublin-Staats bereits als Flüchtling, Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter anerkannt wurden, erhalten in der Regel in Deutschland keine Sozialleistungen mehr. Diese Personen erhalten nur noch sogenannte „Überbrückungsleistungen“ für 14 Tage. Nach Ablauf dieser 14 Tage gibt es keinerlei Leistungen mehr.
Sie können gegen die Ablehnung Ihres Asylantrags als „unzulässig“ klagen. Die Klage müssen Sie beim zuständigen Verwaltungsgericht einreichen. Welches Verwaltungsgericht zuständig ist, steht in der "Rechtsmittelbelehrung" am Ende Ihres Bescheids. Für die Einreichung der Klage haben Sie zwei Wochen Zeit. Die Frist läuft ab dem Tag, der auf dem Briefumschlag Ihres Bescheids angegeben ist. Wenn Sie zusätzlich einen Eilantrag stellen, müssen Sie dies innerhalb einer Woche machen. Ein erfolgreicher Eilantrag verhindert, dass Sie während des Gerichtsverfahrens abgeschoben werden können. Ohne Eilantrag können Sie noch während des Gerichtsverfahrens abgeschoben werden. Beachten Sie aber bitte, dass durch einen Eilantrag in der Regel die oben genannte sechsmonatige Überstellungsfrist erneut zu laufen beginnt. Lassen Sie sich unbedingt von einer*m Anwalt*in oder einer Anwältin dazu beraten.
Die Erfolgssausichten einer Klage sind in der Regel nicht groß. Eine Klage lohnt sich vor allem, wenn in dem für Sie zuständigen Dublin-Staat „systemische Mängel“ festgestellt wurden. Das heißt, dass das Asylsystem des zuständigen Staates Ihnen keine angemessene Versorgung oder kein faires Asylverfahren garantieren kann. Verschiedene Gerichte haben in den letzten Jahren immer wieder für verschiedene Staaten (unter anderem Griechenland, Italien, Bulgarien, Ungarn) systemische Mängel festgestellt und die Überstellung in diese Staaten verboten.
Wenn eine Klage nicht erfolgsversprechend war, können Sie versuchen eine Petition beim Landtag oder Bundestag einzureichen oder in einer Kirche Schutz zu finden. Das Petitionsverfahren ist allerdings langwierig und hat keine aufschiebende Wirkung, d.h. dass Sie noch währenddessen abgeschoben werden können. Kirchenasyl kann eine letzte Rettung vor einer drohenden Abschiebung sein, da Sie in der Regel Ihre sechsmonatige Überstellungsfrist im Kirchenasyl abwarten können und danach Deutschland für Ihr Asylverfahren zuständig wird.
Sie können sich von einer Beratungsstelle oder einer*m Anwält*in beraten lassen. Anwält*innen und Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie auf unserer Seite Lokale Informationen. Hier können Sie die Stadt, in der Sie leben, eingeben und nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung suchen. Auf kirchenasyl.de finden Sie Informationen zum Thema Kirchenasyl.
Wenn Sie in einen anderen Dublin-Staat erfolgreich Asyl beantragt haben und als Asylberechtigter, Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter anerkannt wurden, wird Ihr Asylantrag in Deutschland „wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat“ in der Regel als „unzulässig“ abgelehnt. Das ist die sogenannte „Drittstaatenregelung“.
Sie dürfen in diesem Fall zwar nach Deutschland reisen und sich hier 90 Tage aufhalten, aber Sie dürfen hier nicht dauerhaft wohnen oder arbeiten. Wenn Sie nach 90 Tagen nicht wieder ausreisen, können Sie in das andere EU-Land abgeschoben werden.
Gegen die Ablehnung Ihres in Deutschland gestellten Asylantrags, können Sie vor dem Verwaltungsgericht klagen. Nach Erhalt des ablehnenden Bescheids haben Sie eine Woche Zeit die Klage und einen Eilantrag einzureichen. Ein erfolgreicher Eilantrag verhindert, dass Sie noch vor der Entscheidung des Gerichts über Ihre Klage abgeschoben werden können.
Eine Klage gegen die Ablehnung kann erfolgreich sein, wenn Sie in dem anderen Land keine Chance auf eine Unterkunft, Nahrung, Arbeit, etc. haben.
Lassen Sie sich von einer Beratungsstelle oder einer*m Anwält*in beraten. Anwält*innen und Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie auf unserer Seite Lokale Informationen. Geben Sie die Stadt, in der Sie leben, ein und suchen Sie nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung.
Die Europäische Union versucht aktuell die Dublin-Verordnung zu reformieren. Weil das noch lange dauern wird, schließen einzelne Länder nun bilaterale Abkommen ab. Ein derartiges Abkommen gibt es zum Beispiel zwischen Frankreich und Italien. Deutschland hat im August und September 2018 Abkommen mit Spanien, Italien und Griechenland geschlossen. Laut diesem Abkommen darf Deutschland Geflüchtete, die bereits in Spanien, Italien oder Griechenland Asyl beantragt haben und an der deutsch-österreichischen Grenze kontrolliert werden, innerhalb von 48 Stunden direkt in diese Länder zurückschicken.
Wichtig
Wenn Sie aufgrund Ihres Fluchtwegs befürchten, dass Ihr Asylantrag in Deutschland aufgrund der Dublin-Verordnung abgelehnt wird, kann Ihnen ein*e Anwält*in wichtige Unterstützung bieten. Personen, die sich gleich nach Ankunft in Deutschland ein*e Anwält*in suchen, erhöhen die Chance auf ein für sie günstiges Verfahren. Anwält*innen in Ihrer Nähe finden Sie auf unserer Seite Lokale Informationen. Hier können Sie die Stadt, in der Sie leben, eingeben und nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung suchen.