Unbegleitete minderjährige Geflüchtete
Welche Regeln gelten für mich?
In Deutschland wirst du als „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ (kurz: umF) registriert, wenn du unter 18 Jahre alt bist und ohne deine Familie hier bist. Vielleicht bist du unbegleitet, weil du deine Familie auf dem Weg nach Deutschland verloren hast. Vielleicht bist du aber auch allein aus deinem Heimatland geflohen. Oder du hast deine Eltern nach der Einreise nach Deutschland verloren. Für unbegleitete minderjährige Geflüchtete gelten in Deutschland andere Regeln als für erwachsene Geflüchtete oder Kinder, die mit ihren Eltern nach Deutschland geflohen sind.
Was muss ich wissen?
Was passiert nach meiner Ankunft?
Unbegleitete minderjährige Geflüchtete werden bei ihrer Ankunft in Deutschland vom Jugendamt in Obhut genommen. Das heißt, dass das Jugendamt sich um eine erste Unterkunft und das weitere Verfahren für dich kümmert. In einem ersten Schritt wird ein sogenanntes Clearing-Verfahren durchgeführt. Wenn du keinen Ausweis oder andere Papiere bei dir hast, wird dein Alter mithilfe einer Altersfestsetzung festgestellt. Dies kann durch medizinische Gutachten gemacht werden. Wird durch die Altersfestsetzung bestimmt, dass du bereits volljährig bist, wirst du an die zuständige Erstaufnahme-Einrichtung für erwachsene Geflüchtete verwiesen. Wird dagegen festgesetzt oder durch Dokumente bewiesen, dass du noch minderjährig bist, wird zunächst geprüft, ob du in Deutschland oder Europa Verwandte hast, bei denen du wohnen kannst und willst. Wenn das nicht der Fall ist, wirst du an das für dich zuständige Jugendamt verwiesen. Das kann in der Stadt sein, in der du angekommen bist oder in einer anderen Stadt in Deutschland. Die Mitarbeiter*innen dort werden sich um deine Unterbringung – bei einer Pflegefamilie oder in einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit Betreuung – und deine weiteren Bedürfnisse (Schule, Ausbildung, Aufenthaltsstatus, etc.) kümmern und einen Vormund für dich suchen. Der Vormund ist dein*e gesetzliche*r Vertreter*in und Betreuer*in. Den*Die brauchst du, weil du als Minderjährige*r in Deutschland nur wenige Dinge selbst entscheiden darfst. Die Vormundschaft übernimmt in der Regel entweder ein*e Mitarbeiter*in des zuständigen Jugendamts oder eine ehrenamtlich tätige Privatperson. Du hast so lange einen Vormund, bis du nach dem Gesetz deines Heimatlandes volljährig bist.
Bitte beachte: Wenn dein Alter falsch geschätzt wird, wende dich an deinen Vormund, die Sozialarbeiter*innen in deiner Erstaufnahmeeinrichtung oder eine Beratungsstelle. Es ist wichtig, dass die Behörden dich nicht älter schätzen als du bist, weil du sonst nicht kindgerecht betreut werden wirst. Auf proasyl.de findest du eine Beratungsstelle in deiner Nähe.
Kann ich Asyl beantragen?
Du kannst als Minderjährige*r selbst keinen Asylantrag stellen, aber dein Vormund kann für dich schriftlich Asyl beantragen. Den Antrag kann dein Vormund formlos an die Außenstelle des BAMF in deiner Nähe schicken. Ob es sinnvoll ist in deinem Fall Asyl zu beantragen, kann dir eine Anwaltskanzlei oder eine Beratungsstelle sagen. Unbegleitete minderjährige Geflüchtete, die keinen Asylantrag stellen, bekommen in der Regel eine Duldung, da sie nicht abgeschoben werden dürfen, wenn in ihrem Heimatland niemand auf sie wartet. Eine Beratungsstelle in deiner Nähe findest du auf der Website des Jugendmigrationsdiensts, der Website vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) und auf unserer Seite Lokale Informationen. Gib deine Stadt, in der du lebst, ein und such nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung.
Kann ich abgeschoben werden?
Wenn du minderjährig und allein in Deutschland bist, darfst du in der Regel nicht abgeschoben werden. Nur wenn deine Eltern, eine andere sorgeberechtigte Person oder eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche in deinem Heimatland schriftlich zugesichert haben, sich um dich zu kümmern, kannst du abgeschoben werden. Das steht im §58 des Aufenthaltsgesetzes. Mehr zum Thema Abschiebung erfährst du in unserem Kapitel "Abschiebung".
Die Abschiebung in ein anderes EU-Land auf Grundlage der Dublin-Verordnung gilt nicht für unbegleitete Minderjährige. Du darfst also in Deutschland bleiben, selbst wenn du Fingerabdrücke oder ähnliches in einem anderen EU-Land hast. Mehr zum Thema Dublin-Verordnung erfährst du in unserme Kapitel "Dublin-Verfahren".
Kann ich in Deutschland zur Schule gehen?
In Deutschland sind alle Kinder ab sechs bzw. sieben Jahren schulpflichtig. Auch geflüchtete Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren müssen meist schon bald nach der Ankunft in Deutschland eine Schule besuchen. Die Regelungen hierzu sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. Alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendliche gehen für mindestens neun Jahre in die Schule. Mehr zum Thema Schule erfährst du in unserem Kapitel „Schule“.
Wie finde ich meine Familie?
Wenn du deine Eltern oder andere Familienmitglieder suchst, kannst du dich an folgende Hilfsorganisationen wenden:
- Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (GRC Tracing Service) findet und vereint Familien in Deutschland und weltweit.
- Auf dem Online-Portal von REFUNITE kannst du nach vermissten Angehörigen suchen. Zur Registrierung brauchst du nur eine Telefonnummer.
- Auf der Onlineplattform Trace the Face kannst mit einem Foto einen Suchaufruf starten. Erkennt dich deine Familie, können sie dich direkt kontaktieren.
Kann ich meine Familie nachholen?
Nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens haben unbegleitete minderjährige Geflüchtete das Recht, ihre Eltern und manchmal auch ihre minderjährigen Geschwister nachzuholen.
Deine Eltern müssen den Antrag auf ein Visum zum Familiennachzug in der deutschen Auslandsvertretung stellen (z.B. in der Deutschen Botschaft, im Land, in dem sie leben). Bei deiner zuständigen Ausländerbehörde vor Ort musst du Bescheid geben, wenn du deine Familie zu dir holen willst. Das nennt sich „fristwahrende Anzeige“. Das musst du gemeinsam mit deinem Vormund machen.
Ich bin „anerkannter Flüchtling“ oder Asylberechtigte*r
Du hast das Recht auf Familiennachzug, wenn kein sorgeberechtigter Elternteil in Deutschland lebt. Der Antrag auf Familiennachzug muss innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung deines Schutzstatus als „anerkannter Flüchtling“ oder Asylberechtigte*r gestellt werden (z.B. per Fax). Die Einhaltung der Frist von drei Monaten ist bei der Antragstellung sehr wichtig. Wird der Antrag später gestellt, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Wie und wo deine Eltern den Antrag zum Familiennachzug stellen, erfährst du in unserem Kapitel „Familiennachzug für Geflüchtete“ im Abschnitt „Wie und wo stelle ich den Antrag auf Familienzusammenführung?“
Gut zu wissen: Laut aktueller Rechtsprechung des EuGHs ist es wichtig, dass du zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Asyl minderjährig bist. Ob du während deines Asylverfahrens oder des Verfahrens zum Familiennachzug volljährig wirst, spielt keine Rolle. Du hast dann trotzdem das Recht auf Elternnachzug.
Ich habe subsidiären Schutz
Bei diesem Schutzstatus ist das anders. Wird sowohl der Antrag auf Familiennachzug (Frist 3 Monate nach Anerkennung Schutzstatus) sowie das ganze Verfahren vor Beginn deiner Volljährigkeit abgeschlossen, hast du ein Recht auf Elternnachzug. Wirst du währenddessen volljährig, erlischt dieses Recht und die Möglichkeit auf Familiennachzug liegt nur noch im Ermessen der Behörde. Das bedeutet, dass dann humanitäre Gründe vorliegen müssen, warum deine Familie zu dir nach Deutschland kommen soll.
Wichtig: Falls du bereits in den nächsten 6 bis 12 Monaten volljährig wirst, musst du einen vorgezogenen Termin bei der jeweiligen Auslandsvertretung beantragen.
Ich habe ein Abschiebeverbot
Mit einem Abschiebeverbot ist es leider nicht möglich, deine Familie nachzuholen.
Mehr zum Familiennachzug nach Deutschland erfährst Du in unserem Kapitel „Familiennachzug für Geflüchtete“. Auf der Seite der UN-Migrationsorganisation IOM findest du auch Informationen wie Familienzusammenführung funktioniert. Kontakt zu Stellen in verschiedenen Ländern zur IOM findest du auch auf der Seite von IOM Deutschland. Weitere Informationen auf Deutsch und Arabisch findest du auf familienlebenfueralle.net und auf Deutsch und Englisch auf der Seite der Integrationsbeauftragen der Bundesregierung.
Was passiert, wenn ich volljährig werde?
Wenn du noch keinen Asylantrag gestellt hast und als unbegleitete*r minderjährige*r Geflüchtete*r geduldet wurdest, verlierst du mit deiner Volljährigkeit deinen Abschiebeschutz. Das bedeutet, dass du ab deiner Volljährigkeit abgeschoben werden kannst. Bitte beachte: Die Volljährigkeit von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten richtet sich nach dem Gesetz in deinem Heimatland. Lass dich am besten schon vor Eintritt der Volljährigkeit von einer Anwaltskanzlei oder einer Beratungsstelle zu deinen Möglichkeiten beraten. Du kannst z.B. Asyl beantragen oder versuchen eine Ausbildungsduldung oder eine Aufenthaltserlaubnis für Geduldete zu bekommen. Beratungsstellen in deiner Nähe findest du auf der Website des Jugendmigrationsdiensts, der Webseite vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) und auf unserer Seite Lokale Informationen. Gib deine Stadt, in der du lebst, ein und such nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung. Weitere Informationen zu deinen Möglichkeiten findest du in unseren Kapiteln "Ausbildungsduldung" und "Bleiberecht für Geduldete".
Dein Vormund und das Jugendamt sind ab dem Geburtstag, mit dem du in deinem Heimatland volljährig wirst, nicht mehr für dich zuständig. Rechtliche Entscheidungen kannst du von nun ab selbst treffen. Möglicherweise musst du aus deiner Unterkunft ausziehen, erhältst Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung und weniger bzw. keine Unterstützung in Schule und Ausbildung mehr. Unter bestimmten Voraussetzungen kannst du aber einen „Antrag auf Hilfeverlängerung“ beim für dich zuständigen Jugendamt stellen. Wenn er angenommen wird, erhältst du weiter Unterstützung. Das ist aber nur möglich, wenn du nachweisen kannst, dass du diese Hilfe wirklich brauchst. Den Antrag musst du zusammen mit deinem Vormund vor dem Eintritt deiner Volljährigkeit stellen. Das für dich zuständige Jugendamt findest du auf jugendaemter.de.
Wichtig
Wenn du keinen Asylantrag stellen möchtest, wirst du als unbegleitete*r minderjährige*r Geflüchtete*r bis zum Eintritt deiner Volljährigkeit geduldet. Sobald du volljährig bist, verliert diese Duldung ihre Gültigkeit. Kümmere dich rechtzeitig vorher um deinen Aufenthaltsstatus und lass dich beraten.
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Weitere Links
Infos für unbegleitete minderjährige Geflüchtete
Klick auf den Link und lade dir die Broschüre auf Englisch, Französisch, Arabisch, Dari, Deutsch und weiteren Sprachen am Ende der Seite herunter.
JMD
Der Jugendmigrationsdienst (JMD) berät deutschlandweit Jugendliche und junge Erwachsene unter 27 Jahren und deren Eltern in mehreren Sprachen.
Menschen stärken Menschen
Hier findest du viele Infos zum Thema Patenschaft, Pflegefamilien, Gastfamilien oder Vormundschaft.
Jugendliche ohne Grenzen
Jugendliche ohne Grenzen (JOG) sind geflüchtete Jugendliche, die seit 2005 eine Plattform betreiben.
Nummer gegen Kummer
Hast du Sorgen oder Probleme? Die Mitarbeiter*innen des Kinder- und Jugendtelefons sind von Montag bis Samstag von 14 bis 20 Uhr für dich da. Du kannst Sie kostenlos unter der Telefonnummer 116111 erreichen.
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