Sorgerecht
Welche Rechte und Pflichten haben Eltern in Deutschland?
Eltern sein ist eine große Aufgabe und mit vielen Pflichten verbunden. In Deutschland sind viele dieser Pflichten im sogenannten Sorgerecht geregelt. Für das Sorgerecht ist § 1626 des Bürgerlichen Gesetzbuches sehr wichtig. Darin steht, dass Eltern sich gut um Ihr Kind kümmern und es ohne Gewalt erziehen müssen. Denn mit dem Sorgerecht möchte der deutsche Staat Kinder schützen und sicher gehen, dass es ihnen gut geht. Zwar dürfen Eltern über bestimmte Bereiche im Leben Ihres Kindes entscheiden, sie müssen dabei aber auch den Willen ihres Kindes beachten. Denn der Wunsch des Kindes ist im Sorgerecht sehr wichtig.
Was muss ich wissen?
Das sogenannte Kindschaftsrecht regelt die Beziehung zwischen Eltern und ihrem Kind im deutschen Gesetz. Das Sorgerecht ist ein Teil des Kindschaftsrechts und legt fest, dass Eltern sich um die Erziehung, die Gesundheit und die Bedürfnisse ihres Kindes kümmern müssen. Jurist*innen bezeichnen Eltern daher als „Erziehungsberechtigte“. Das Sorgerecht gibt ihnen nämlich Rechte und Pflichten. Sie dürfen bestimmen, wo ihr Kind wohnt und wer das Kind sehen darf. Eltern sind auch die gesetzliche Vertretung ihres Kindes. Das bedeutet, dass Eltern Entscheidungen für ihr Kind treffen können, die rechtlich von Bedeutung sind. Sie können zum Beispiel einen Vertrag für ihr Kind abschließen. Denn Kinder können das erst ab 18 Jahren selbst tun.
Kinder haben im Sorgerecht eigene Rechte. Sie haben, zum Beispiel, das Recht auf eine Erziehung ohne Gewalt. Je nach Alter und Entwicklung ihres Kindes müssen Eltern ihr Kind bei ihren Entscheidungen einbinden. Zum Beispiel dürfen Kinder ab 15 Jahren selbst über ihre Religion entscheiden. Die Bestimmungen im Sorgerecht sollen dafür sorgen, dass es dem Kind gut geht und seine Eltern es gut versorgen.
Streiten sich Eltern vor Gericht um das Sorgerecht, haben Kinder besondere Rechte im Prozess. Welche das sind, erfahren Sie im Absatz „Wie läuft ein Gerichtsverfahren zum Sorgerecht ab?“.
Das Sorgerecht gilt für minderjährige Kinder, also für Kinder unter 18 Jahren, und ihre Eltern. Laut Gesetz sind die Eltern eines Kindes seine Mutter und sein Vater. Dazu zählen auch Adoptiveltern. Die Mutter eines Kindes ist die Frau, die das Kind geboren hat.
Ein Mann ist Vater des Kindes, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
- Der Mann war zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet.
- Der Mann hat die Vaterschaft anerkannt und die Mutter hat der Anerkennung zugestimmt. Was eine Vaterschaftsanerkennung ist und wie Sie die Vaterschaft anerkennen, erfahren Sie im Abschnitt „Wir sind nicht verheiratet. Wie erkenne ich die Vaterschaft an?“.
- Das Familiengericht hat entschieden, dass ein Mann der Vater ist.
Bitte beachten Sie: Bei gleichgeschlechtlichen und queeren Beziehungen ist die Anerkennung einer Vaterschaft oder Mutterschaft leider nicht so einfach. Das deutsche Gesetz erkennt als Eltern bislang nur Mutter und Vater an. Für lesbische Paare bedeutet das, dass die Frau, die das Kind nicht geboren hat, das Kind adoptieren muss. Nur so ist sie auch rechtlich die Mutter des Kindes. Bei schwulen Paaren müssen beide Männer das Kind adoptieren, um als Väter zu gelten. Mehr zum Thema LGBTQI+ finden Sie in unserem Kapitel „LBTQIA+“.
Wenn die Eltern eines Kindes nicht verheiratet sind, kann der Vater seine Vaterschaft beurkunden lassen, sie also offiziell bestätigen lassen. Nur dann gilt er offiziell als Vater. Die Mutter muss der Anerkennung zustimmen. Die Anerkennung können Sie schon vor Geburt Ihres Kindes machen. Dann steht der Name des Vaters auf der Geburtsurkunde des Kindes. Lassen Sie die Vaterschaft erst nach der Geburt anerkennen, müssen Sie eine neue Geburtsurkunde für Ihr Kind beantragen.
Die Vaterschaft können Sie beim Jugendamt, Standesamt, Amtsgericht oder einem Notarbüro anerkennen lassen. Die Beurkundung beim Jugendamt ist kostenlos. Beim Amtsgericht, Standesamt und einem Notarbüro müssen Sie in der Regel dafür bezahlen. Für die Beurkundung machen Sie und der andere Elternteil einen Termin bei einer der oben genannten Stellen an Ihrem Wohnort aus. Sie müssen beide persönlich zu dem Termin erscheinen. Das für Sie zuständige Jugendamt finden Sie auf jugendaemter.com. Das für Sie zuständige Standesamt oder Amtsgericht finden Sie auf der Website Ihrer Stadt oder Gemeinde. Sie können auch nach Ihrem Standesamt oder Amtsgericht mit Google suchen. Geben Sie dafür das Stichwort „Standesamt“ oder „Amtsgericht“ und den Namen Ihres Wohnortes ein. Notar*innen in Ihrer Nähe finden Sie auf notar.de.
Die Mutter muss zu dem Termin ihren Mutterpass, ihren Ausweis und ihre Geburtsurkunde mitbringen. Der Vater muss seinen Ausweis und seine Geburtsurkunde mitbringen. Ausländische Geburtsurkunden müssen von vereidigten Dolmetscher*innen übersetzt worden sein. Wenn Sie die Vaterschaftsanerkennung erst nach der Geburt machen möchten, müssen Sie außerdem die Geburtsurkunde Ihres Kindes mitbringen. Wenn Sie die geforderten Dokumente nicht haben, ist eine Vaterschaftsanerkennung in der Regel nicht möglich. Lassen Sie sich in diesem Fall von einer Beratungsstelle oder einer Anwaltskanzlei beraten. Eine Beratungsstelle finden Sie zum Beispiel auf dieser Website von Pro Asyl. Auf unserer Seite Lokale Informationen können Sie Anwält*innen finden, die auf die Beratung von Geflüchteten und Asylsuchenden spezialisiert sind. Geben Sie die Stadt, in der Sie leben, ein und suchen Sie nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung. Wichtig: Manche Ämter verlangen weitere Dokumente. Fragen Sie am besten nach, wenn Sie Ihren Termin vereinbaren.
Bitte beachten Sie: Die Behörden können Ihren Antrag auf Vaterschaftsanerkennung der Ausländerbehörde melden, wenn die Mitarbeiter*innen denken, dass Sie die Vaterschaft nur anerkennen, um einen Aufenthaltstitel für sich oder das Kind zu bekommen. Die Ausländerbehörde überprüft dann Ihren Fall. Mehr dazu erfahren Sie im Abschnitt „Was passiert, wenn die Behörden mir die Vaterschaft nicht glauben?“.
Wichtig: Sie haben nicht automatisch das Sorgerecht, wenn Sie die Vaterschaft anerkennen. Dafür müssen Sie und Ihre Partnerin die sogenannte Sorgerechtserklärung abgeben. Mehr zur Sorgerechtserklärung erfahren Sie im Abschnitt „Was ist die Sorgerechtserklärung?“.
In Deutschland ist es verboten, für ein fremdes Kind die Vaterschaft zu übernehmen, nur damit das Kind, der Vater oder die Mutter in Deutschland einen Aufenthaltstitel bekommen. Das heißt „missbräuchliche Vaterschaft“.
Die Behörden und Notar*innen sind per Gesetz verpflichtet, der Ausländerbehörde zu melden, wenn sie bei der Vaterschaftsanerkennung vermuten, dass ein Mann nicht der Vater eines Kindes ist. Das ist zum Beispiel oft der Fall, wenn ein Elternteil keinen sicheren Aufenthaltstitel für Deutschland hat oder Deutschland eigentlich verlassen muss. Dann denken die Behörden, dass die Vaterschaftsanerkennung nur zur Sicherung des Aufenthalts dient und der Mann gar nicht der echte Vater ist. Die Behörden zweifeln auch oft an der Vaterschaft, wenn sie keine persönliche Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind sehen. Wenn die Behörden oder Notar*innen einen Fall bei der Ausländerbehörde melden, überprüft die Ausländerbehörde den Fall. Das dürfen sie aber nur tun, wenn Sie nicht der leibliche Vater sind. Wenn die Ausländerbehörde Ihren Fall prüft, sollten Sie sich an eine Anwaltskanzlei oder eine Beratungsstelle wenden. Eine Beratungsstelle finden Sie zum Beispiel auf der Website von Pro Asyl. Auf unserer Seite Lokale Informationen können Sie Anwält*innen finden, die auf die Beratung von Geflüchteten und Asylsuchenden spezialisiert sind. Geben Sie die Stadt, in der Sie leben, ein und suchen Sie nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung.
Bitte beachten Sie: Solange die Prüfung läuft, wird die Vaterschaft nicht anerkannt.
Eltern können sich das Sorgerecht für Ihr Kind teilen. Das nennt man „gemeinsames Sorgerecht“. Wenn Sie zum Zeitpunkt der Geburt Ihres Kindes bereits verheiratet waren, haben Sie automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Das heißt, Sie müssen es nicht extra beantragen.
Wenn Sie zum Zeitpunkt der Geburt Ihres Kindes nicht verheiratet sind und sich das Sorgerecht teilen möchten, müssen Sie eine sogenannte Sorgerechtserklärung ausfüllen. In der Sorgerechtserklärung erklären Sie beide, dass Sie das gemeinsame Sorgerecht haben. Tun Sie das nicht, hat nur die Mutter das Sorgerecht. Wie Sie eine Sorgerechtserklärung abgeben, erfahren Sie im Abschnitt „Was ist die Sorgerechtserklärung?“. Das gilt aber nur für heterosexuelle Paare. Für lesbische oder schwule Paare gelten andere Regelungen. Mehr dazu erfahren Sie im Abschnitt „Für wen gilt das Sorgerecht?“.
Wenn Sie beide das gemeinsame Sorgerecht haben, kümmern Sie sich gemeinsam um Ihr Kind und treffen wichtige Entscheidungen zusammen. Diese wichtigen Entscheidungen heißen „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“. Sie sind besonders wichtig, weil sie das Leben Ihres Kindes nachhaltig beeinflussen, wie zum Beispiel, auf welche Schule Ihr Kind geht, wo es wohnt und welche Religion es hat. Entscheidungen, die den Alltag Ihres Kindes betreffen, wie zum Beispiel, wann es schlafen geht oder was es zu essen bekommt, heißen „alltägliche Entscheidungen“.
Wenn Sie sich trennen und weiterhin beide das Sorgerecht haben, ist diese Unterscheidung wichtig. Die „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ treffen Sie dann auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam. Die „alltäglichen Entscheidungen“ kann das Elternteil, bei dem das Kind wohnt, dann allein entscheiden. Um Konflikte zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, sich auch darüber mit dem anderen Elternteil abzustimmen.
Das alleinige Sorgerecht bedeutet, dass nur ein Elternteil das Sorgerecht hat. Sind Sie unverheiratet und die Mutter des Kindes, haben Sie das alleinige Sorgerecht ab der Geburt Ihres Kindes. Der Elternteil mit dem alleinigen Sorgerecht darf über die „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ alleine entscheiden, ohne sich mit dem anderen Elternteil absprechen zu müssen. Das gilt auch für die „alltäglichen Entscheidungen“. Allerdings kann der andere Elternteil gegen diese Entscheidungen Klage einreichen. Mehr zu den „alltäglichen Entscheidungen“ und „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“, erfahren Sie im Abschnitt „Was ist das gemeinsame Sorgerecht?“.
Ob Sie bei einer Trennung das alleinige Sorgerecht bekommen können, erfahren Sie im Abschnitt „Wer bekommt das Sorgerecht bei einer Trennung?“.
Die Sorgerechtserklärung ist ein offizielles Dokument. Darin teilen unverheiratete Eltern mit, dass sie sich gemeinsam um ihr Kind kümmern. Sie legen damit fest, dass sie beide das gemeinsame Sorgerecht haben. Auch können sie dort festhalten, wer im Falle einer Trennung das Sorgerecht bekommt oder ob sich beide Elternteile gemeinsam um ihr Kind kümmern werden.
Sie können die Sorgerechtserklärung jederzeit abgeben. Das können Sie beim Jugendamt oder einem Notarbüro tun. Die Sorgerechtserklärung ist erst wirksam, wenn beide Elternteile eine Sorgerechtserklärung abgegeben haben. Sie können sie also gemeinsam abgeben oder getrennt voneinander. Das für Sie zuständige Jugendamt finden Sie auf jugendaemter.com. Notar*innen in Ihrer Nähe finden Sie auf notar.de.
Um eine Sorgerechtserklärung abzugeben, brauchen Sie Ihren Ausweis und die Geburtsurkunde Ihres Kindes. Auf der Geburtsurkunde muss der Name des Vaters eingetragen sein. Ist er das nicht, brauchen Sie eine beglaubigte Kopie der Vaterschaftsanerkennung und eine beglaubigte Kopie der Zustimmungserklärung der Mutter zur Vaterschaft. Eine beglaubigte Kopie ist eine Kopie eines offiziellen Dokuments. Sie erhalten es nur von offiziellen Stellen, wie einem Amt oder Notarbüro. Wie Sie eine Vaterschaft anerkennen lassen, erfahren Sie im Abschnitt „Wir sind nicht verheiratet. Wie erkenne ich die Vaterschaft an?“. Mehr zum Thema beglaubigte Kopien, erfahren Sie in unserem Kapitel „Beglaubigung von Kopien“.
Bitte beachten Sie: Bei einem Notarbüro kostet die Sorgerechtserklärung bis zu 80 Euro (Stand 2021). Beim Jugendamt ist sie kostenlos.
Ob Sie Deutschland mit Ihrem Kind verlassen dürfen, hängt davon ab, ob Sie das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht haben und wie lange Sie planen, mit Ihrem Kind weg zu sein.
Ich habe das gemeinsame Sorgerecht:
Teilen Sie und der andere Elternteil sich das Sorgerecht, können Sie nicht allein entscheiden, wo Ihr Kind lebt. Dafür brauchen Sie die Zustimmung des anderen Elternteils. Das gilt für Umzüge innerhalb Deutschlands wie auch ins Ausland. Bei Urlaubsreisen muss der andere Elternteil nicht zustimmen, wenn Sie beide der Meinung sind, dass die Reise eine „alltägliche Entscheidung“ ist. Was genau eine „alltägliche Entscheidung" ist, erfahren Sie im Abschnitt „Was ist das gemeinsame Sorgerecht?“. Generell sollten Sie sich abstimmen, was für Sie beide als „alltägliche Entscheidung“ gilt. Halten Sie das am besten schriftlich fest.
Möchten Sie gegen den Willen des anderen Elternteils mit Ihrem Kind umziehen, brauchen Sie dafür den Beschluss eines Gerichtes. Dafür reichen Sie beim Familiengericht einen Antrag auf das alleinige Sorgerecht ein oder einen Antrag, dass Sie den Aufenthaltsort Ihres Kindes allein bestimmen wollen.
Wichtig: Wenn Sie ohne die Zustimmung des anderen Elternteils mit Ihrem Kind ins Ausland ziehen, ist das eine sogenannte „Kindesentziehung“. Das ist in Deutschland eine Straftat. Sie können dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder eine Geldstrafe bekommen.
Bitte beachten Sie: Hält sich Ihr Kind ohne Ihre Zustimmung im Ausland auf, könne Sie sich an die Zentrale Behörde für internationale Sorgerechtskonflikte wenden. Das gilt auch, wenn Sie sich im Ausland aufhalten und Ihr Kind gegen Ihren Willen in Deutschland lebt. Die Behörde unterstützt Sie dabei, dass Ihr Kind wieder zu Ihnen kommt. Allerdings muss das Land, wo Ihr Kind sich aufhält, Teil der Europäischen Union sein oder das Haager Kindesentführungsübereinkommen unterzeichnet haben. Auch müssen Sie und Ihr Kind bestimmte Voraussetzungen erfüllen: So muss Ihr Kind zum Beispiel unter 16 Jahre alt sein und Sie müssen sich um Ihr Kind gekümmert haben. Die Unterstützung der Behörde beantragen Sie mit einem Formular. Das Formular finden Sie in vielen Sprachen auf der Website des Bundesamtes für Justiz im Abschnitt „Formulare für Anträge nach HKÜ und ESÜ“.
Zusätzlich brauchen Sie noch:
- Eine Vollmachtserklärung. Damit erlauben Sie der Behörde, in Ihrem Namen Kontakt zum zuständigen Gericht und den Behörden im Ausland aufzunehmen.
- Nachweise, die bestätigen, dass Sie das gemeinsame oder alleinige Sorgerecht haben.
- Nachweise, die bestätigen, dass die Ausreise Ihres Kindes gegen Ihre Absprache mit dem anderen Elternteil verstößt. Das kann zum Beispiel die Sorgerechtserklärung sein.
Ich habe das alleinige Sorgerecht:
Haben Sie das alleinige Sorgerecht, können Sie über die „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ allein entscheiden. Dazu zählt auch der Wohnort Ihres Kindes. Sie brauchen dafür nicht die Zustimmung des anderen Elternteils. Das gilt auch für Umzüge ins Ausland oder Urlaubsreisen.
Ist der andere Elternteil mit Ihrer Entscheidung nicht einverstanden, kann er oder sie einen Antrag beim Familiengericht auf das gemeinsame Sorgerecht einreichen. Oder einfordern, den Aufenthaltsort Ihres Kindes mitzubestimmen. Gibt das Gericht dem Antrag statt, kann es zu einem Sorgerechtsstreit kommen. Wie ein Sorgerechtsstreit abläuft, erfahren Sie im Abschnitt „Wie läuft ein Gerichtsverfahren zum Sorgerecht ab?“.
Bevor Sie sich an das Familiengericht wenden, können Sie sich Hilfe holen. Die Zentrale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte und Mediation (ZAnK) berät Sie kostenlos per Telefon. Die Nummer ist +49 30 62 980 403 und von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 16 Uhr erreichbar. Die Berater*innen sprechen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch.
Wenn ein Elternteil stirbt, erhält meistens der andere Elternteil das Sorgerecht. Das passiert, wenn beide Eltern das gemeinsame Sorgerecht hatten. Dafür brauchen Sie keine Entscheidung eines Gerichts.
Stirbt der Elternteil, der das alleinige Sorgerecht hatte, dann brauchen Sie eine Entscheidung des Familiengerichts. In der Regel gibt das Gericht dem verbliebenen Elternteil das alleinige Sorgerecht. Außer das Gericht befürchtetet, dass es dem Kind dort nicht gut gehen wird. Dann erhält ein Vormund das Sorgerecht. Ein Vormund ist eine Person, die anstelle der Eltern das Sorgerecht für das Kind übernimmt. Das kann passieren, wenn die Eltern sich nicht mehr um ihr Kind kümmern können. Wer Vormund wird, entscheidet immer das Familiengericht. Das können Verwandte sein oder auch das Jugendamt.
Ihr Kind bekommt auch einen Vormund, wenn beide Elternteile sterben. Sie können eine Person in Ihrem Testament als Vormund bestimmen. Sie können jede Person bestimmen, die Sie möchten. Die Person muss älter als 18 Jahre alt und fit genug sein, um sich um Ihr Kind zu kümmern. Das Familiengericht überträgt dann in der Regel dieser Person das Sorgerecht. Außer das Gericht hat Bedenken, dass die Person sich nicht gut um Ihr Kind kümmern kann. Zum Beispiel weil die Person schwer krank ist oder weil Ihr Kind nicht bei dieser Person wohnen will. Ab 14 Jahren haben Kinder das Recht mitzuentscheiden, wer ihr Vormund werden soll. Haben die Eltern keine Person als Vormund festgelegt, entscheidet das Familiengericht wer Vormund wird.
Wichtig: In Ihrem Testament können Sie auch festlegen, wer auf keinen Fall Vormund Ihres Kindes werden soll und warum.
Bitte beachten Sie: Sie sollten Ihr Testament regelmäßig überprüfen und bei Bedarf ändern. So vermeiden Sie, dass im Falle Ihres Todes gegen Ihren Willen entschieden wird. Wenn Sie Ihr Testament schreiben, achten Sie unbedingt darauf, dass Sie es selbst schreiben und unterschreiben. Sie müssen auch das Datum und den Ort angeben, an dem Sie Ihr Testament schreiben. Beachten Sie diese Punkte nicht, kann Ihr Testament ungültig sein.
Das hängt davon ab, ob Sie verheiratet waren oder nicht.
Ich war verheiratet:
Waren Sie verheiratet und lassen sich scheiden, behalten in der Regel beide Elternteile das gemeinsame Sorgerecht. Das müssen Sie dem Familiengericht mitteilen. Dafür geben Sie bei Ihrem Scheidungsantrag an, dass Sie sich auf ein gemeinsames Sorgerecht geeinigt haben. Auch schreiben Sie in Ihren Scheidungsantrag, wo Ihr Kind wohnen wird und wer von Ihnen es wie oft sehen wird. Wenn Sie sich das Sorgerecht nicht teilen wollen, müssen Sie das beim Familiengericht beantragen. Wie Sie das machen, erfahren Sie im Abschnitt „Wann entscheidet das Familiengericht über das Sorgerecht?“.
Ich war nicht verheiratet:
Trennen Sie sich, ohne dass Sie verheiratet waren, können Sie beide weiterhin das gemeinsame Sorgerecht haben. Das gilt aber nur, wenn Sie bereits vor der Trennung das gemeinsame Sorgerecht hatten und dies in Ihre Sorgerechtserklärung geschrieben haben. Denn nach einer Trennung gilt die Sorgerechtserklärung weiter. Was eine Sorgerechtserklärung ist, lesen Sie im Abschnitt „Was ist die Sorgerechtserklärung?“. Haben Sie keine Sorgerechtserklärung abgegeben, behält die Mutter das alleinige Sorgerecht. Der Vater kann dann beim Familiengericht das gemeinsame Sorgerecht beantragen. Er braucht dafür keine Zustimmung der Mutter. Die Mutter wird aber vom Gericht über den Antrag des Vaters informiert. Wenn sie dagegen ist, kann Sie dem Gericht die Gründe nennen, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht sprechen. Das heißt, die Mutter muss dem Gericht erklären, dass es dem Kind nicht gut gehen wird, wenn sich der Vater um das Kind kümmert. Das Gericht setzt ihr dafür eine Frist. Wenn die Mutter sich innerhalb der Frist beim Gericht meldet und das Gericht die Bedenken der Mutter nachvollziehen kann, leitet das Gericht ein sogenanntes Sorgerechtsverfahren ein. Dann kommt es auch zu einer Anhörung beider Elternteile vor Gericht. Wie ein Verfahren ablaufen kann, erfahren Sie im Abschnitt „Wie läuft ein Gerichtsverfahren zum Sorgerecht ab?“. Wenn sich die Mutter nicht innerhalb der Frist beim Gericht meldet oder keine Bedenken gegen das gemeinsame Sorgerecht hat, wird das Gericht das gemeinsame Sorgerecht anordnen. Dann teilen sich Vater und Mutter das Sorgerecht.
Wichtig: Wenn Sie sich nicht einigen können, wie Sie die Erziehung Ihres Kindes nach Ihrer Trennung organisieren, können Sie sich Hilfe holen. Sie können zum Beispiel beim für Sie zuständigen Jugendamt einen Beratungstermin vereinbaren. Das für Sie zuständige Jugendamt finden Sie unter jugendaemter.com. Die Mitarbeiter*innen sprechen in der Regel nur Deutsch. Auch die Berater*innen von profamilia können Sie unterstützen. Eine Beratungsstelle in Ihrer Nähe finden Sie auf der Website von profamilia. Geben Sie dazu Ihren Wohnort oder Postleitzahl ein. Das Angebot ist kostenlos. Die Mitarbeiter*innen sprechen in der Regel nur Deutsch. Sie können auch die Elternhotline anrufen. Die Mitarbeiter*innen dort sprechen viele Sprachen. Die Beratung ist kostenlos.
Sie müssen sich immer ans Familiengericht wenden, wenn Sie Änderungen im Sorgerecht vornehmen wollen. Denn nur das Gericht kann die Änderungen rechtlich bindend machen. Jurist*innen nennen das „Sorgerechtsübertragung“. Das ist der Fall, wenn Sie das alleinige Sorgerecht wollen oder der andere Elternteil das gemeinsame Sorgerecht fordert.
Die Änderung im Sorgerecht müssen Sie immer beim Familiengericht der Stadt beantragen, in der Ihr Kind wohnt. Das zuständige Familiengericht finden Sie per Suche mit Google. Geben Sie dafür das Stichwort „Familiengericht“ und den Namen des Wohnortes Ihres Kindes ein.
Wichtig: Wenn Sie das alleinige Sorgerecht beantragen, müssen Sie das in Ihrem Antrag sehr gut begründen. Das Gericht überträgt das alleinige Sorgerecht nur, wenn es überzeugt ist, dass das gemeinsame Sorgerecht für das Kind schlecht ist. Das kann sein, weil ein Elternteil dem Kind psychische oder körperliche Gewalt antut, ihm nicht genug zu essen gibt, es nicht zur Schule gehen lässt oder ein Elternteil eine Suchtkrankheit hat.
Das Familiengericht entscheidet auch über das Sorgerecht, wenn das Jugendamt sich an das Familiengericht wendet. Das tut es aber nur, wenn Ihr Kind bei Ihnen in Gefahr ist. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Kapitel „Jugendamt“.
Nicht immer kommt es zu einem Gerichtsverfahren, wenn Sie beim Familiengericht einen Antrag gestellt haben. Wenn Sie und der andere Elternteil sich einig sind, wie Sie sich das Sorgerecht aufteilen, melden Sie es dem Familiengericht. Dafür stellen Sie einen Antrag. Das Gericht genehmigt dann Ihren Antrag ohne ein Verfahren.
Auch wenn Sie sich nicht einig sind, versuchen manche Richter*innen einen Gerichtsprozess zu vermeiden. Denn ein Prozess dauert oft lange, kostet Geld und ist für Sie und Ihr Kind meist anstrengend. Daher kann es sein, dass das Gericht Sie an Berater*innen oder Mediator*innen verweist. Mediator*innen sind Berater*innen, die sich auf das Thema Streitschlichtung spezialisiert haben. Können Sie sich auch danach nicht auf eine Lösung einigen, gibt es einen Gerichtsprozess beim Familiengericht. Das Gericht entscheidet dabei, welche Lösung am besten für das Kind ist. Um das festzustellen, hört das Gericht verschiedene Personen als Zeug*innen an. Dazu zählen die Eltern, das Kind, wenn es älter als 14 Jahre ist, dessen Beistand („Verfahrensbeistand“) und Vertreter*innen des Jugendamtes. Ein Verfahrensbeistand sind besonders ausgebildete Anwält*innen oder Pädagog*innen, die im Gerichtsverfahren die Interessen Ihres Kindes vertreten. Denn in einem Sorgerechtsstreit haben Kinder ein Recht auf Mitbestimmung. Die Richter*innen fragen das Kind, nach dessen Wünschen, zum Beispiel, wo es wohnen möchte oder wie oft es Vater oder Mutter sehen möchte. Je älter ein Kind ist, desto mehr berücksichtigen die Richter*innen den Willen des Kindes. In manchen Fällen holt sich das Gericht auch Rat bei psychologischen Gutachter*innen. Das macht es vor allem, wenn Richter*innen sich in bestimmten Themen nicht gut auskennen. Die Gutachter*innen sind Psycholog*innen und erstellen eine Art Bericht für das Gericht über die Beziehung Ihres Kindes zu Ihnen und dem anderen Elternteil.
Sie selbst müssen für das Verfahren keine Anwält*innen haben. Ein Anwalt*eine Anwältin kann aber nützlich sein. Falls Sie kein Geld für einen Anwalt oder eine Anwältin haben, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Dann übernimmt das Gericht Ihre Anwalts- und Gerichtskosten. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Kapitel „Prozesskostenhilfe“. Anwält*innen können Sie zum Beispiel auf anwaltsauskunft.de finden.
In der Regel übernehmen Sie und der andere Elternteil die Kosten des Gerichtsverfahrens zu gleichen Teilen. Das heißt, Sie zahlen genau gleich viel. Die Kosten sind nicht bei jedem Verfahren gleich hoch. Lassen Sie sich vorab bei einem Anwalt oder einer Anwältin zu den Kosten beraten. Anwält*innen finden Sie auf anwaltsauskunft.de.
Bitte beachten Sie: Falls Sie kein Geld für einen Anwalt oder eine Anwältin haben, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Dann übernimmt das Gericht Ihre Anwalts- und Gerichtskosten. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Kapitel „Prozesskostenhilfe“.
Alle Ausländer*innen benötigen einen Aufenthaltstitel, um in Deutschland wohnen zu dürfen. Manchmal hat eine Person einen Aufenthaltstitel, weil sie ein Kind mit deutscher Staatsbürgerschaft oder einem deutschen Aufenthaltstitel hat. Wenn diese Person das Sorgerecht für ihr Kind verliert, muss sie Deutschland aber nicht sofort verlassen.
In so einem Fall wird die Ausländerbehörde überprüfen, ob Sie sich um Ihr Kind kümmern. Kümmern bedeutet, dass Sie Ihr Kind regelmäßig treffen und dass Sie Ihr Kind durch die sogenannten „Unterhaltszahlungen“ finanziell unterstützen.
Die Ausländerbehörde wird Ihren Aufenthaltstitel in der Regel nicht verlängern, wenn sie feststellt, dass:
- Sie Ihr Kind nicht sehen.
- Sie keinen Unterhalt zahlen.
- Es keine Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind gibt.
Wenn Ihr Aufenthalt in Gefahr ist, sollten Sie sich sofort an eine Beratungsstelle wenden. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Kapitel „In Deutschland geboren“.
Wichtig
Falls Sie sich bei Anwält*innen zum Sorgerecht beraten lassen wollen, aber nicht genug Geld haben, können Sie „Beratungshilfe“ beantragen. Das Gericht übernimmt dann den Großteil der Kosten für die Beratung. Sie selbst müssen dann nur 15 Euro für die Beratung bezahlen. Die Beratungshilfe können Sie bei der Rechtspflege des Amtsgerichts beantragen. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Kapitel „Prozesskostenhilfe“.